Der Hund aus dem Ausland – Vorurteile und Tipps
Der Hund aus dem Ausland ist scheinbar mit bestimmten Merkmalen behaftet. Ich höre und lese immer wieder zwei Seiten: Entweder sind die Hunde aus dem Ausland traumatisiert und passen kaum ins deutsche Leben oder sie sind sehr dankbar und haben einen angeborenen will to please (Wille, zu gefallen). Der Hund aus dem Ausland ist aber ein…Hund – Punkt. Es gibt also nicht DEN Auslandshund, da jedes Lebewesen einzigartig ist.
Wie erhaltet Ihr Informationen über den Hund aus dem Ausland, wenn Ihr über eine Adoption nachdenkt? Weiter unten sind Tipps, worauf Ihr achten solltet und welche Fragen Ihr der Tierschutz-Organisation stellen solltet.
Ein Hund aus dem Ausland ist…
…ein Lebewesen, mit individuellem Charakter, eigenen Erfahrungen, Eltern mit individuellen Charaktereigenschaften usw.
Die ganzen Merkmale, die Auslandshunden angedichtet werden, sind Pauschalurteile. Es gibt selbstverständlich den traumatisierten Hund, den aggressiven, den freundlichen, denn leicht erziehbaren Vierbeiner und den Hund mit Neigung zum Streunen und den mit will top please. Kurzum: Bei den Hunden aus dem Ausland gibt es ganz verschiedene Charaktere und Verhaltensweisen.
Welche Verhaltensweisen der Auserwählte zeigt, hängt von mehreren Faktoren ab. Ein Hund, der vom Hundefänger brutal eingefangen wurde und anschließend eine Zeit unter miesesten Verhältnissen leben musste, wird wahrscheinlich ein Trauma haben. In Spanien werden unter anderem viele Podencos und Galgos mehr als schlecht gehalten. Diese Hunde kennen oft gar kein Leben im Haus, mit der Familie zusammen und sie kennen auch keine „normalen“ Spaziergänge. Andere Hunde haben in Familien gelebt und wurden aus verschiedenen Gründen auf die Straße gesetzt. Wieder andere Hunde wurden bereits als Welpe ausgesetzt oder sind im Tierheim oder beim Tierschutzverein zur Welt gekommen.
Es ist also überhaupt nicht pauschal zu sagen, wie ein Hund aus dem Ausland tickt. Alle Hunde haben einen eigenen Charakter. Dazu kommen die Erfahrungen, die jeder Einzelne gemacht hat. Wie alle Hunde sind auch die Hunde aus dem Ausland Individuen mit ganz unterschiedlichen Vorgeschichten. Der eine ist stubenrein, der nächste nicht. Der eine ist freundlich, der nächste wurde schlecht sozialisiert usw. Es gibt kein Einheitsschema und somit kann man über Pauschalaussagen getrost hinweghören.
Hund aus dem Ausland – wie bekomme ich Infos?
Wer sich für einen Hund aus dem Auslandtierschutz interessiert, sieht häufig lediglich Fotos und kurze Beschreibungen des Hundes. Wie bekommt man als Interessent Informationen über einen Hund, aber ebenso über den Tierschutzverein?
Es gibt – wie in allen Bereichen – auch unter den Tierschutz-Organisationen schwarze Schafe. Die Homepage eines Vereins sagt, meiner Meinung nach, noch nicht viel über die Organisation aus. Eine Webseite ist genauso geduldig wie Papier. Das heißt, dort kann viel geschrieben stehen, um einen guten Eindruck zu hinterlassen, aber vielleicht entspricht das nicht der Wahrheit. Das heißt aber auch, dass eine schlecht geführte Homepage nicht bedeuten muss, dass dieser Verein schlechte Arbeit im Tierschutz leistet.
Von daher würde ich in Foren, Facebookgruppen u.ä. nachfragen, ob jemand bereits Erfahrungen mit dieser Organisation gemacht hat.
Stellt den Vereinen viele Fragen
Außerdem würde ich Kontakt mit dem Verein aufnehmen und ihm viele Fragen stellen. Ich würde fragen, wo die Hunde untergebracht sind. Lebt der Hund, für den ich mich interessiere, im Zwinger oder bei einer Pflegefamilie? Auch würde ich wissen wollen, wo der Hund gefunden wurde und in welchem Zustand. Hatte er Krankheiten? Wenn ja, wie wurden diese behandelt? Ist die Krankheit vollständig geheilt oder muss man mit Folgebehandlungen (und dann auch mit Kosten) rechnen?
Wenn Zwingerhaltung: Gibt es Gassigeher? Wenn ja, würde ich mir die Kontaktdaten des oder der Gassigeher geben lassen. Diese Leute können oft einiges über das Verhalten des Hundes sagen, welches häufig ein anderes als im Zwinger ist.
Falls der Hund in einer Pflegefamilie lebt, würde ich nach den Kontaktmöglichkeiten mit dieser Pflegestelle fragen.
Ich halte es für sehr wichtig, dass sich Interessenten ein möglichst umfangreiches Bild vom Hund machen können. Tierschutz hört ja nicht mit der Vermittlung auf. Für mich ist Tierschutz gegeben, wenn ein Zuhause gesucht wird, wo Mensch und Hund zusammenpassen. Das ist natürlich nicht einfach, aber ich denke die Chance auf ein tatsächlich endgültiges Zuhause erhöht sich, wenn sowohl über gute Eigenschaften des Hundes als auch über seine „Macken“ berichtet wird.
Lasst euch Kurzvideos zeigen
Einige Tierschutzvereine zeigen nicht nur Fotos von den Hunden, sondern auch kurze Videoaufnahmen. Fotos sind Momentaufnahmen und sagen im Grunde nichts über den Hund aus. Nun lässt sich zwar auch nicht durch Kurzvideos alles darstellen und auch viel verschleiern, aber man erhält doch ein etwas besseres Bild vom Hund.
Dank der heutigen Techniken dürfte es auch kein Problem sein, solche kurzen Videos zu drehen. Fast jeder hat ein Smartphone und somit dürfte wenigstens ein ehrenamtlicher Mitarbeiter im Verein dabei sein, der mit so einem Gerät kurze Videos aufnehmen kann.
Würde ich also lediglich Fotos vom Hund aus dem Ausland sehen, würde ich darum bitten, diesen Hund in verschiedenen Situationen kurz zu filmen. So könnte ich sehen, wie sich der Hund im Zwinger mit den anderen Hunden verhält. Ich könnte sehen, wie der Hund auf die Mitarbeiter zugeht – oder auch nicht. Und wenn es Gassigeher gibt, wären Ausschnitte der Spaziergänge ebenfalls aufschlussreich – beispielsweise bei Begegnungen mit fremden Hunden.
All das ist natürlich wieder mit Zeitaufwand für die Mitarbeiter des Vereins verbunden. Dennoch denke ich, dass dies möglich ist, wenn der Verein gut organisiert ist und sich die Mitarbeiter gegenseitig unterstützen. Vieles hängt sicherlich auch mit einem funktionierenden oder nicht funktionierenden Team des Vereins zusammen.
Holt viele Infos über den Hund aus dem Ausland ein
Die Hunde können sich nicht aussuchen, wohin sie kommen, aber die Interessenten sollten möglichst viele Informationen erhalten, damit sie den für sie passenden Hund auswählen können.
Bekommt man als Interessent nur dürftige Informationen: Es gibt genügend Tierschutzvereine, sodass man nicht an diesem einen Verein hängenbleiben muss. Damit ist natürlich dem einzelnen Hund aus dem Ausland nicht geholfen, doch ein Verein, der nur wenig Bereitschaft zeigt, Interessenten umfangreich zu informieren, wird wohl kaum bemüht sein, das passende Frauchen oder Herrchen für den einzelnen Hund zu finden.
Frage auch nach, wie der Verein es geregelt hat, wenn die neuen Halter mit dem Hund gar nicht zurechtkommen. Welche Hilfe steht den Menschen dann vom Verein zur Verfügung? Gibt es Pflegestellen in Deutschland, die den Hund in solchen Fällen aufnehmen?
Und: Gibt es Vor- und Nachkontrollen vom und im neuen Zuhause? An wen können sich die neuen Besitzer wenden, wenn Fragen oder Probleme auftauchen?
Umfangreiche Infos sind dennoch keine Garantie
Die besten Informationen sind allerdings keine Garantie dafür, wie sich ein Hund in seinem zukünftigen Zuhause verhalten wird.
Lebt der Hund im Zwinger (im Tierheim), zeigt er womöglich ein anderes Verhalten, als später im Haus und in der Familie. Es mag sein, dass sich Bello im Tierheim scheinbar super gut mit Artgenossen versteht, weil er sich ruhig verhält und keinen Stunk mit den anderen Hunden anfängt. Es kann aber gut sein, dass dies seine Strategie ist, um mit der Situation zurechtzukommen.
Wenn in einem Tierheim mehrere Hunde im Freilaufgehege oder im Zwinger leben, MÜSSEN sie miteinander klar kommen. Da fragt keiner, ob die Hunde zusammenpassen. Das ist auch verständlich, denn der Platz ist begrenzt und die Zahl der ausgesetzten Hunde ist groß. Für sehr viele Hunde bedeutet diese Situation Stress. Es gibt Hunde, die mit der oft beengten Situation im Tierheim (oder in der Zwingeranlage des Tierschutzvereins) zurechtkommen und es gibt Hunde, für die diese Situation stressig ist.
Soll Dir nun der Verein Auskunft über einen bestimmten Hund geben, der im Zwinger lebt, können diese Informationen nicht ausreichend sein. Der Verein kann Dir sagen, wie sich dieser Hund im Tierheim verhält. Wenn es aber keine Gassigänger o.ä. gibt, fehlen die Erfahrungen mit diesem Hund, wie er sich außerhalb des Zwingers verhält.
Aber selbst wenn der Hund bei einer Pflegestelle lebt, sind die besten Infos keine Garantie dafür, dass dieser Hund dasselbe Verhalten bei dir zeigt. Du bist anders, als die Menschen der Pflegestelle. Deine Lebenssituation ist eine andere, Dein Umfeld ist ein anderes und Dein Umgang mit Hund ist vielleicht anders.
Eine Pflegestelle wird Dir umfangreichere Informationen über den Hund geben können. Wie sich der Hund dann bei Dir entwickelt, kann niemand vorhersagen. Ein sogenannter Problemhund kann in Deinen Händen zum umgänglichen und freundlichen Hund werden und umgekehrt.
Fazit:
- Informiere Dich über den Verein
- Lasse Dir so viele Informationen wie möglich über den Hund geben, für den Du Dich interessierst
- Werden Deine Fragen unzureichend beantwortet, überlege Dir gut, ob Du nicht doch besser bei anderen Tierschutzvereinen nach dem passenden Hund schaust
- Informiere Dich vorher über Hundehaltung und Hundeverhalten
Bedenke, dass Dein zukünftiger Hund von Dir abhängig ist. Der süße Hund auf dem Foto hat bereits einmal sein Zuhause verloren und möchte diese Erfahrung garantiert nicht wiederholen. Auch Mitleid mit den „armen“ Hunden im Ausland ist keine gute Entscheidungshilfe. Mir tun beispielsweise ganz viele Hunde leid, die ich hier in Spanien erlebe und trotzdem nehme ich nicht jeden Hund auf. Die Entscheidung für einen Hund sollte ganz bewusst getroffen werden und dabei spielt es keine Rolle, ob der Hund aus dem Ausland, aus dem Tierheim in Deiner Nähe oder vom Züchter kommt.
Vielleicht lässt sich auch Dein Urlaub mit einer ehrenamtlichen Mitarbeit in einem Tierschutzverein verbinden. Dann hast Du eine noch bessere Möglichkeit, Dir Deinen Hund aus dem Ausland auszusuchen und der Verein ist sicherlich dankbar für Deine Hilfe.
Bei den Auslandshunden ist nicht anders als bei den „unseren“. Aber so mancher, der sich einen Hund aus dem Ausland holt, „helfen“ will, tut das eigentlich nicht für den Hund, sondern für sich, und es wird viel auf den Hund transferiert, was ins menschliche Miteinander gehört.
Hunde haben im Gegensatz zum Menschen, die Fähigkeiten schlimme Erfahrungen viel, viel eher hinter sich zu lassen, als Menschen. Hunde bleiben selbst dann bei ihrem Menschen, wenn er sie richtig schlecht behandelt werdeb, und wenden sich ihm weiterhin zu. Eine Katze würde davon laufen, während ein Hund bleibt. Also von daher, finde ich beim Thema Traumatisierung, und was eine Traumatisierung im tatsächlichen Sinne bedeutet, wird es zu inflationär, und zu sehr im menschlichen Kontext verwendet.
Dass Hunde in anderen Ländern andere Erfahrungen machen, andere Haltungsbedingungen erleben, ist so, und wird so bleiben, weil unsere Art mit Tieren umzugehen, Tiere wahrzunehmen, eine andere ist. Das ist das „Deutsche“, und muß von anderen nicht übernommen werden.
Es ist schade, dass Tiere in anderen Ländern so gesehen werden, wie sie gesehen werden, aber wir werden’s nicht ändern, auch wenn wir Tiere aus anderen Ländern zu uns holen. Die, die dann bei uns sind, aklimatisieren sich eigentlich sehr schnell, fassen Vertrauen, beim anderen dauert’s länger, beim anderen nicht so lange.
Und es gibt hierzulande nicht wenig Menschen, die einen Hund haben, aber ihren Hund eigentlich überhaupt nicht verstehen. Genauso wie sie sehr viel Eigenes auf die Hunde projezieren und über ihren Hund ausleben. „Sauber“ in der Einstellung, wie ein Leben mit einem tierischen Begleiter gelebt wird, ist das oft ganz und gar nicht.