Der arme Hund braucht einen Retter – Tierschutz mittels Mitleidsmasche

Wie ihr bereits mitbekommen habt halte ich Tierschutz für richtig und gut. Allerdings wird meiner Meinung nach zu viel mit dem Mitleid der Mitmenschen gespielt, um sozusagen Hunde an den Mann zu bringen. Besonders Facebook eignet sich dazu hervorragend, mit gekonnten Sätzen und Bildern auf die Tränendrüsen tierfreundlicher Menschen zu drücken. Aus Mitleid einen Hund aufnehmen? Wem ist damit geholfen?

Tierschutz: Einmal bitte so richtig auf die Tränendrüse drücken!

Wenn ich Facebook öffne begegnen mir täglich Fotos oder Videos von Hunden, die ein Zuhause suchen. Heute sprang mir unter anderem dieser Text ins Auge: „Heute war leider wieder nicht SEIN Tag. In all den vielen Jahren war nicht SEIN Tag. Aber vielleicht ja morgen…? Jack auf dem Rückweg in seinen Käfig. Ganz hinten am Ende der Zwingerreihe dort ist seiner. Jack kennt den Weg… er geht ihn seit 2012“. Dazu ein Foto eines Hundes, der an langen Zwingerreihen entlang geht.

Nun schauen sich zig Menschen dieses Foto samt mitleiderregenden Textes an. Vielleicht findet sich dann auch ein Mensch, der aus lauter Mitleid Jack aufnimmt. Prima – könnte man sagen. Aber ist das tatsächlich prima? Ist es toll, unüberlegt einen Hund aufzunehmen, weil die Mitleidsmasche der Tierschützer gezogen hat? Ist das echter Tierschutz?

fotolia©JackF
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Der arme Hund…wird bestimmt ganz dankbar sein

Stellt euch Frau M. stellvertretend für die Personen vor, die täglich in Facebook von mitleiderregenden Fotos und Texten herrenloser Hunde überflutet werden. Eines Tages war das Mitleidsfass voll. Sie konnte nicht mehr anders, als einem dieser Hunde aus dem Tierschutz ein Zuhause zu schenken. Sie kam sich schon länger  mies und schlecht vor, weil sie bisher nicht gehandelt hatte. Dabei hatte sie ein schönes Haus mit Garten, ging nur halbtags arbeiten und somit stünde einem Hund viel Zeit zur Verfügung.

An diesem Tag sah sie das Foto eines Hundes, der scheinbar seeehr traurig in die Kamera blickte. Darunter der Text: „Mia kennt kein Gras unter ihren Pfoten und sie hat bisher noch nicht erfahren wie schön es ist, ein warmes und liebevolles Zuhause zu haben. Mia ist im Shelter geboren und kennt nur ihren Zwinger und Betonboden. Wann darf die 5-jährige Hündin endlich glücklich sein?“

Ja, das ist traurig und ich würde Mia und all den unzähligen anderen Hunden ein Zuhause wünschen…bei Menschen, die sich ganz bewusst für einen Hund entscheiden und die sich ebenfalls klar darüber sind, dass dies eventuell zunächst keine entspannte Zeit sein könnte.

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Wenn der Tierschutz bewusst das Bewusstsein von Menschen trübt

Frau M. kann aber nicht mehr klar denken. Die täglichen Posts von armen Hunden haben ihr Bewusstsein getrübt. So entscheidet sie sich aus lauter Mitleid für Mia. Sie freut sich auf die Hündin, bereitet alles vor und dann kommt der Tag, an dem sie die dankbare Mia in Empfang nehmen darf.

Die Hündin sitzt ruhig in der Box, in der sie von Land X nach Deutschland transportiert wurde. Frau M. spricht Mia an, die leise wedelt. Die Türe zur Box wird geöffnet, Frau M. streckt Mia freundlich lächelnd die Hand entgegen. Mia knurrt, blickt weg, versucht noch tiefer in die Box zu kriechen, doch sie sitzt bereits am Ende der Box. Frau M. spricht weiterhin auf Mia ein und streckt auch ihre Hand weiterhin zu Mia hin…bis Mia kurz die Zähne fletscht. Frau M. zieht ihre Hand zurück und  geht einen Schritt von der Box weg.

Die Folgen von dieser Methode

Jetzt sind dort also ein unsicherer Hund, dem alles zu viel ist und eine nun unsichere Frau M., die einen vor Dankbarkeit zerfließenden Vierbeiner erwartet hat, der ihr förmlich freudig um den Hals fällt.

Die Leute des Tierschutz-Vereins beruhigen Frau M. und erklären ihr, dass sich Mia bedrängt fühlte und nicht anders konnte, als durch Zähne zeigen zu signalisieren: Nimm bitte Abstand. Ok, Frau M. versteht die Hündin und die Vorfreude auf die kommende Zeit nimmt wieder zu.

Vier Monate später: Frau M. wendet sich verzweifelt an einen Hundetrainer, denn sie ist mit Mia maßlos überfordert. Die Hündin kann keine fünf Minuten alleine bleiben, ohne wie verrückt zu bellen oder Dinge zu zerbeißen. Mia reagiert aggressiv auf andere Hunde und somit wird fast jeder Spaziergang für Frau M. zum Spießrutenlauf. Mia erträgt Berührungen seitens Menschen nur sehr bedingt. Schnell zeigt sie ihre Zähne oder schnappt ab, um die Berührungen abzuwehren.

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Tierschutz: Ehrlichkeit ist besser

Mia hat in ihren ersten fünf Jahren nichts anderes als ihren Zwinger kennengelernt. Es hätte  sein können, dass sich die Hündin völlig unproblematisch in ein „normales“ Zuhause einlebt, Berührungen liebt und andere Hunde spitze findet. Aber: Hätte sich jemand ganz bewusst für Mia entschieden, wäre ihm höchstwahrscheinlich auch bewusst gewesen, dass solche oder ähnliche Probleme auftreten können.

Vielleicht lassen sich diese Probleme mit einem Trainer lösen und Mia bleibt bis ans Ende ihres Lebens glücklich und zufrieden bei Frau M. Vielleicht liegen Frau M.´s Nerven eines Tages so blank, dass sie Mia schweren Herzens in ein deutsches Tierheim bringt. Vielleicht kann Frau M. vor anderen nicht zugeben, dass sie Mia nicht gewachsen ist und setzt die Hündin auf die Straße.

Tierschutz? Mittels Mitleidsmasche Hunde vermitteln?

Tierschutz ja, aber bitte mit Bewusstsein

Es spricht nichts dagegen, hin und wieder mal! einen Hund zu posten, der ein Zuhause sucht. Ansonsten wäre es wesentlich besser, wenn sich die zukünftigen Hundehalter direkt von Anfang an selbst in Bewegung setzen müssen, um den für sie passenden Hund zu finden. Es ist natürlich sehr bequem, wenn man nur Facebook öffnen muss und sämtliche Hunde serviert bekommt. Wer tatsächlich einen Hund aufnehmen möchte, wird sich nicht scheuen sich die Mühe zu machen und ganz eigenständig Seiten der Tierschutzvereine zu suchen und zu öffnen.

Mitleid ist kein guter Ratgeber

Auf den Facebook-Seiten der Tierschutz-Organisationen siehst du nun verschiedene Hunde. Kommt Mitleid auf: Schieb es weg! Mitleid ist ein sehr schlechter Entscheidungshelfer. Gefällt dir ein Hund, informiere dich sehr genau über diesen Hund. Kontaktiere die zuständige Person der Organisation und quetsche diesen Menschen ruhig aus. Schreibe dir für dich wichtige Fragen auf und lass dir detaillierte Antworten geben.

Denke immer daran: DU musst in den nächsten Jahren mit diesem Hund zusammenleben. Kein Hund ist perfekt – das bist du auch nicht. Aber, es bedarf schon sehr viel Mühe und Geduld, wenn man sich beispielsweise einen „echten“ Angsthund ins Haus holt oder einen Hund, der bisher nur Zwinger kannte oder einen Hund, der bisher in erster Linie miese Erfahrungen mit Menschen machte.

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Suche dir einen guten Tierschutz Verein aus

Nun wird dir nicht jede Tierschutz-Organisation detaillierte Infos über die Hunde bieten können. Vereine, bei denen die Hunde im Zwinger sitzen und Zeit oder Ehrenamtler (oder auch Interesse) fehlen, die Hunde auf ein späteres Leben in einem „normalen“ Zuhause vorzubereiten, werden nicht wissen können, wie der einzelne Hund auf fremde Hunde reagiert, sich im Haus verhält, an der Leine geht, ob Freilauf möglich ist, ob er viel oder wenig Jagdtrieb besitzt usw. Sie können höchstens Auskunft darüber geben, wie sich der Hund in der Zwingeranlage und gegenüber den Mitgliedern verhält.

Such dir am besten Vereine aus, die ihre Hunde nicht nur in den Zwinger setzen und mit dem Notwendigsten versorgen, sondern die sich mit den Hunden beschäftigen. In Zwingeranlagen mit 100 oder mehr Hunden ist dies natürlich nur bedingt möglich. Aber auch hier gibt es Vereine die es schaffen, Trainingsstunden u.ä. zu organisieren. Ein Beispiel dafür ist das Tierheim in Roquetas (Spanien), welches ich selbst besuchte.

Eine Entscheidung für einen Hund ist eine Entscheidung fürs Leben, nämlich für das Leben dieses Hundes. Es ist ihm gegenüber ziemlich unfair, kopflos und nur aus Mitleid sich spontan für ihn zu entscheiden, um ihn später eventuell als Problemhund abzustempeln.

Und es ist den Hunden gegenüber sehr unfair und ebenso verantwortungslos, als sogenannter Tierschützer mit dem Mitleid zu spielen und die Hunde irgendwie zu vermitteln, ohne darauf zu achten, ob Mensch und Hund zusammenpassen.

Tut euch und den Hunden einen Gefallen und lasst nicht mehr zu, dass ihr mit Mitleid erregenden Fotos und Texten überschwemmt werdet: Klickt auf den Pfeil neben dem Namen der Person, die dauernd solche Fotos und Texte postet – dann klickt auf „XY nicht mehr abonnieren“. Ihr bleibt befreundet, aber  dir werden die Posts dieser Person nicht mehr angezeigt.

4 Kommentare

  • so wahr was du schreibst ! Wenn man ernsthaftes Interesse an einem Hund aus dem Tierschutz hat, bietet es sich ja an erstmal die umliegenden Tierheime zu besuchen. Dort kann man die Hunde ansehen und vielleicht sogar eine Probespaziergang mit ihnen machen 🙂

  • Mein Kredo dazu und im Allgemeinen: Unsere Augen sind heute mehr auf die weite (der) Welt gerichtet. Der Blick schweift und driftet immer mehr in die Ferne (ab), was impliziert, dass das Naheliegende einfach übersehen wird. Es ist zwar dreidimensional, aber Bilder sind halt schon sehr schön in ihrer Zweidimensionalität. 😎 Ein passender Text dazu – und schon ist man angekommen, nur wo?

  • hundebloghaus

    Ein unfassbar gut geschriebener Artikel, da er gerade die Emotionslage trifft, in der sich manche Menschen befinden…sowohl vor dem PC, als auch bei Ankunft des Hundes. Ich hoffe Du erreichst sehr viele damit. Denn oftmals ist ein Tierschutzhund mit viel „Arbeit“ verbunden, die zwischen Zeilen bewusst weggelassen wird.
    LG Danni

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