Wenn die Chemie nicht mehr stimmt
Es hat ein bisschen Zeit gebraucht, bis ich über Georges Umzug schreiben konnte. Wir mussten unseren Hund abgeben und bis dahin war mein Kopf monatelang mit Grübeln und Beobachten beschäftigt. Wenn die Chemie nicht mehr stimmt, ist manchmal das Loslassen die beste Lösung.
Irgendetwas stimmt hier nicht…
Waren Emma und George die ersten 1,5 Jahre ein tolles Team, veränderte sich etwas, als George auf sein drittes Lebensjahr zuschritt. Es wurde allgemein unruhiger, unharmonisch und stressig. Ich spürte, dass etwas nicht mehr stimmte, aber ich konnte es nicht greifen. Mein Bauchgefühl sagte sehr deutlich, dass etwas im Busch ist. Aber leider neige ich in bestimmten Situationen dazu, meinem Bauchgefühl nicht ganz zu trauen – wenn es keine handfesten Erklärungen gibt.
Mit fiel an Emmas Verhalten schon seit langer Zeit etwas auf. Aber ich wusste es nicht einzuordnen. Es wurde erst deutlicher und klar, als George dann immer mal wieder weg war.
Zum Beispiel hat sie es mir vehement verboten, sie anzufassen, zu streicheln oder Ähnliches, wenn George in der Nähe war. Das hat uns Rätsel aufgegeben. Sie ist nämlich sonst eine Kuschlerin und liebt es, engen Körperkontakt zu mir zu haben. Wenn ich mit ihr alleine in meinem Zimmer war und die Türe schloss, kam sie sehr schnell zu mir kuscheln. War George in der Nähe, vermied sie Kontakt zu mir sehr strikt.
Letztes Jahr, 2022, trank sie nicht mehr aus dem Wassernapf, der für beide Hunde immer verfügbar war. Das konnte ich mir auch nicht erklären. Damit sie genügend trinkt, habe ich ihr Wasser in einem anderen Napf gegeben. Daran trank sie aber nur dann, wenn ich als Sichtschutz diente, sodass George sie nicht sehen konnte.
Dann fing sie im Spätsommer damit an, ihre Pfoten zu beknabbern. Sie hat jedoch in Frankreich zu dieser Zeit öfter mit diesen Grasmilben zu tun. Also verabreichte ich ihr ein Mittel, das ihr immer hilft. Dieses Jahr nicht. Aber, normalerweise ist das Thema schnell beendet, sobald wir in Spanien sind. Diesmal nicht. Sie knabberte und knabberte und knabberte und kratzte in einer Tour. Und ich sagte oft, dass es garantiert irgendwas mit Stress zu tun hat. Aber was? Wir wussten es nicht.
Als wir zurück in Spanien waren, wollte sie nicht mehr ohne uns im Haus bleiben. Auch das war uns ein großes Rätsel. Wir überlegten, was der Grund sein könnte. War irgendwas im oder am Haus? Liegt es an den direkten Nachbarn, die nicht gerade die leisesten Menschen dieser Welt sind? Was stimmt hier nicht? Einmal waren wir nicht weit weg und ich hörte sie bellen. Es war ein furchtbares Bellen, verzweifelt. Das habe ich bei ihr bis dahin noch nie gehört. Ich bin natürlich direkt zu ihr gegangen. Sie stand auf meinem Bett, aufgerissene Augen, hechelnd, zitternd. Sie wirkte total gestresst. Ich setzte mich aufs Bett und sie ließ sich in meinen Schoß fallen.
Im Wohnmobil blieb sie ohne uns. Wie ich im Nachhinein weiß: Dort kann sie nach vorne gehen, George aber nicht.
Und irgendwann hatten wir draußen Lagerfeuer. Emma war und ist abends immer lieber drinnen. Sie legt sich auf mein Bett und döst oder schläft. Aber, auch bei diesen Situationen wollte sie nicht mehr im Haus sein. An einem Abend war jedoch George mit im Garten – und Emma lag drinnen und schlief. So, wie wir es von ihr kannten. Da habe ich das erste Mal gedacht, ob es vielleicht mit George zu tun haben könnte.
Irgendwas stimmte auch nicht mehr zwischen uns
Die eine Sache war das Dingen, was zwischen Emma und George ablief. Die andere Sache war, dass das Band zwischen uns und George sehr spröde wurde und stetig mehr riss. Auch dafür kann ich keine Erklärung abgeben. Die Chemie stimmte vielleicht von Anfang an nicht, denn ich hatte den Zweithund in erster Linie danach ausgesucht, dass er zu Emma passt. Dennoch hat es uns anfangs viel Freude bereitet. Aber, wir Menschen kennen das von unseren zwischenmenschlichen Beziehungen: Freude ist schön, reicht jedoch nicht für eine tiefgehende Verbindung aus.
Alles in allem war einfach klar, dass wir unseren Hund abgeben müssen, damit jeder von uns wieder happy und entspannt sein kann. Wenn ich solche Entscheidung treffe, rede ich darüber mit ganz ganz wenigen Menschen. Aus diesem Grund erscheinen solche Entscheidungen für manche Personen dann plötzlich, unverhofft und unverständlich. Das habe ich jedoch immer so gemacht, auch wenn es um zwischenmenschliche Entscheidungen ging oder geht. Bevor ich eine solche Entscheidung treffe, habe ich das PROblem bereits lange Zeit von allen Richtungen durchgekaut und habe vor allem mit meinem Inneren Zwiesprache gehalten.
Die Entscheidung fiel bereits im Spätsommer oder Herbst. Somit war das Abschied nehmen und das Loslassen für uns nicht von heute auf morgen da, sondern wir konnten langsam Abschied nehmen (was es nicht unbedingt einfacher macht).
Probewohnen – und nun klärten sich meine Fragen und mein Bauchgefühl
Im Dezember kamen zwei liebe Menschen mit einem lieben Hund in unser Leben. Wir kannten uns vorher flüchtig und „nur“ virtuell. Beim Kennenlernen war schnell klar, dass die Chemie zwischen uns stimmte. Und so verbrachten wir ein paar schöne Wochen miteinander. Die Chemie stimmte ebenfalls zwischen George und diesen Menschen – und scheinbar auch zwischen ihm und dem anderen Hund. So kam es, dass George zum Probewohnen ging und danach war klar, dass er zu diesen Menschen ziehen wird. Wir waren froh und erleichtert, denn wir wussten, dass er es dort richtig gut haben wird.
Wir bemerkten, dass Emma sich veränderte, als George nicht mehr bei uns wohnte. Das ständige Kratzen und Knabbern hörte auf. Sie trank wieder ganz normal aus dem Wassernapf. Sie wirkte entspannter, kam wieder oft zum Kuscheln und sie konnte wieder ganz relaxed im Haus bleiben.
Dann kam der Tag, als George zurückgebracht wurde. Er duldete den anderen Hund nicht in seinem Zuhause. Somit gab es oft Streitereien zwischen den beiden – um es milde auszudrücken. Wäre Emma ein Hund, der sich wehren würde, wäre uns schon viel eher klar gewesen, was nicht mehr stimmte. Sie zieht sich zurück, wenn die Chemie nicht stimmt. Dadurch gibt es bei uns keine Hundekämpfe.
Zuerst standen mein Bauchgefühl und mein Verstand aber wieder als Krieger gegenüber. Mein Bauchgefühl sagte: „Habe ich es dir nicht schon lange gesagt, was hier nicht mehr stimmt!?“. Und mein Verstand sagte: „Naja, George und der andere Hund verstehen sich halt nicht, wenn sie zusammenleben“.
So zog George nochmal um, denn es gab noch einen Menschen, der ihn gerne hätte. Dort lebte auch ein Hund, ein kleiner, ganz ruhiger Hund. Leider ging auch das nicht gut und schon nach einem halben Tag hat George den Hund attackiert und deutlich gezeigt, dass er Einzelhund sein will.
Chaos im Inneren – aber dann wurde alles gut
Traurig alles. Ich habe mich von ihm verabschiedet, bevor er zur zweiten Probestelle ging. Stumm, wortlos, aber wir haben uns beide verstanden. Danach war unser dünnes Band entzweit. Wir wussten es beide, der George und ich. Ich habe ihn gestreichelt, seine Nase geküsst und wir haben uns kurz in die Augen geschaut. Danach war klar, dass es vorbei ist. Er drehte sich um. Und er ging mit den Menschen mit. Ich wusste, er kommt nicht mehr zurück, obwohl ich noch nicht wusste, dass es auch auf diesem Platz nicht klappt. Aber dennoch wusste ich es.
Zunächst spürte ich nicht viel. Aber am nächsten Tag schlug alles zu. Diese Gefühle der letzten Monate. Dieses Fühlen, dass etwas nicht mehr stimmt. Dieses Rätselraten. Und zu wissen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, ihn damals nicht aufzunehmen.
Wie es der Zufall (es fällt das zu, was genau richtig und gut ist) will, hatten die Menschen Besuch, bei denen George zuerst war. Und dieser Besuch war an George interessiert. Es gibt bei diesem Menschen keinen weiteren Hund. Es war natürlich nicht besonders prickelnd, dass George nun in kurzer Zeit das dritte Probewohnen antrat. Und trotzdem war es genau richtig. Schon nach wenigen Tag war die Entscheidung getroffen und George hat nun ein neues Zuhause. Wir haben George noch einmal am Strand gesehen. Er hat Emma gar nicht begrüßt. Uns hat er entweder nicht entdeckt oder er hatte keine Lust zu uns zu kommen. Er lief fröhlich weiter.
Loslassen – tatsächlich habe ich ein Buch über dieses Thema geschrieben. Ich weiß, wie es geht und ich kenne die Phasen. Manchmal ist Loslassen wichtig, damit sich alle Beteiligen entspannen und neu entfalten können. Auch wenn man weiß, wie es geht – durch die Phasen muss man trotzdem hindurch.
Tierschutzvereine und deren Hilfe…
Für mich war das nun monatelang eine starke emotionale Belastung, die sich zum Schluss noch steigerte. Ich wusste, dass wir ihn nicht mehr aufnehmen können, sollte es auch auf der dritten Stelle nicht klappen. Wir hatten bereits vor einigen Jahren so eine ungute Erfahrung mit einem zweiten Hund gemacht und daran hatte Emma auch nachher noch lange zu knabbern. Sie ist halt ein Sensibelchen und von daher war klar, dass George nicht mehr hier einziehen wird.
Nur, wohin? In Spanien gar nicht so einfach. So telefonierte und schrieb ich mit etlichen Tierschutzvereinen, die allerdings alle immer überfüllt sind und nicht gerade auf einen Hund warten, der nicht auf der Straße hockt. Es haben sich jedoch alle wirklich eingesetzt und Hilfe angeboten. Jeder so, wie er konnte. Nur der in unserem Ort ansässige Verein war mal wieder ein negatives Paradebeispiel. Es hilft halt nicht viel, wenn ein Tierschützer hundefreundlich, aber menschenfeindlich ist. Dann muss man sich nicht wundern, wenn Menschen weiterhin Tiere auf die Straße setzen, statt Hilfe beim Tierschutzverein zu suchen.
Keine Sorge, ich hätte ihn natürlich nicht auf die Straße gesetzt. Aber wir sind hier in Spanien, wo das noch gang und gäbe ist. Da sollten Tierschützer lernen, nicht in Schwarz und Weiß zu denken, sondern die bunte Vielfalt an Gründen sehen, die zur Abgabe eines Hundes führen kann.
Es gab Gott sei Dank auch außerhalb der Tierschutzvereine Menschen, die mir helfend zur Seite standen. Letztlich hatte ich eine Lösung, die jedoch bei Weitem nicht so ideal gewesen wäre, wie das neue Zuhause, das George nun hat.
Durch die vielen Gespräche, die ich vor einigen Wochen führte, habe ich viele ähnliche Geschichten gehört. Manchmal verändern sich halt im Laufe des Lebens die Bedürfnisse – das ist bei uns Menschen nicht viel anders.
Warum? Oder: Wozu war das gut?
Wozu war das gut? Meine Überzeugung ist grundsätzlich: Alles hat seinen Sinn. Also hatte auch dies einen Sinn.
- George kam zu uns und konnte erstmal wachsen, sich sicher und wohl fühlen.
- Emma konnte ihrer Berufung als kleine Helferin nachgehen und kümmerte sich im ersten Jahr sehr fürsorglich um George.
- George konnte von Emma profitieren. Er lernte sehr viel von ihr und fühlte sich in ihrer Anwesenheit auch zunehmend sicherer.
- Und jetzt können beide Hunde getrennt voneinander ihr Leben leben und genießen.
- Und auch wir können wieder unser Leben mit Hund genießen.
Eine Freundin sagte mir mal: „Manche Menschen sind kurzzeitige Wegbegleiter, andere begleiten uns über längere Zeit und wieder andere bleiben ein Leben lang“.
Diese Aussage ist mir im Kopf hängengeblieben und sie trifft auch auf die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren zu. Niemand kann am Anfang einer Beziehung sagen, wie lange sie hält.
Mir ist es wichtig, dass sich alle Familien- oder Teammitglieder wohlfühlen. Das war nicht mehr so und jetzt ist das Wohlgefühl wieder vorhanden.
Mir persönlich ist alles über den Kopf gewachsen – die emotionale Belastung mit George, viel Arbeit im Beruf, das Loslassen vom Häuschen in Spanien, der anstehende Umzug in die Bretagne und noch einige andere Dinge, die mir im Kopf herumschwirren. Nach außen wirke ich oft stark, manchmal auch hart, aber das tue ich mit Absicht, weil ich sonst Entscheidungen nicht durchziehen könnte, die einfach wichtig sind.
Somit werde ich mich jetzt in den nächsten Wochen ganz bewusst auf mich und meine Liebsten konzentrieren, damit ich bald wieder ganz entspannt sein kann. Das Leben ist zu kurz, um in ein Burnout zu schliddern.
Deshalb wird es in diesem Blog in nächster Zeit nicht viel Neues geben. Vielleicht wird mal der eine oder andere Gastbeitrag veröffentlicht. Ansonsten geht’s hier erst weiter, wenn ich wieder genügend Energie getankt habe.
Bis dahin, bleibt gesund, munter und fröhlich
Marion mit Emma
Dieser Beitrag ist sehr mutig und voller Emotionen geschrieben.
Das ist etwas, was sich kein leidenschaftlicher Hundehalter wünscht. Hier kann man auch absolut keine Vorwürfe machen, da hier nicht einfach ein Hund aus einer Laune angeschafft wurde.
Es ist eine sehr traurige Geschichte.
Die Achterbahnfahrt der Gefühle kann ich nur erahnen.
Hier die Entscheidung zum Loslassen zu treffen, war mit Sicherheit das Beste, auch wenn es bestimmt sehr schwer war.
Wir wünschen George das er jetzt seinen richtigen Platz gefunden hat und Emma das sie ein glücklicher Hund, bzw. eine glückliche Hündin ist.
Danke! Ja, das war eine schwierige Zeit. Wir haben aber heute noch gehört und auf Fotos gesehen, wie gut es George nun getroffen hat.
Und Emma ist wieder ganz entspannt und kommt häufig kuscheln.