Muss ich mit meinem Hund Gassi gehen?
Komische Frage oder? Ich lerne immer wieder und immer öfter Hundehalter kennen, die sich nicht die Frage stellen: „Wie oft sollte ich mit dem Hund Gassi gehen?“ Und sie fragen sich auch nicht: „Wie gehe ich mit meinem Hund richtig Gassi?“. Sie haben eher diese Einstellung: „Warum soll ich mit meinem Hund Gassi gehen? Der hat einen Garten und kann sich den ganzen Tag darin bewegen!“. Ich bin dann jedes Mal ziemlich baff.
Warum soll ich mit meinem Hund Gassi gehen?
Manche Hundehalter glauben, ein großer Garten sei eine gute Alternative zu täglichen Spaziergängen. „Mein Hund muss nicht Gassi gehen, der hat einen Garten“! Mal abgesehen von den nachfolgenden Faktoren, die ich aufzähle und die verdeutlichen, wie wichtig das tägliche Gassi gehen ist: Möchtest du dich jeden Tag auf demselben Terrain bewegen? Möchtest du dich so fühlen, als würdest du im Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“ den Hauptdarsteller spielen? Bist du davon überzeugt, dass dein Geist fit und rege bleibt, wenn du dich täglich mit denselben Dingen beschäftigst?
Tägliches Gassi gehen halten den Körper und den Geist deines Hundes fit und gesund.
Jetzt stelle dir vor, wie das für deinen Hund sein muss. Er wird in den Garten drapiert und soll sich einen schönen Tag machen. Dein Hund kennt jedoch alle Gerüche und hat keinen Anlass, um Neues zu erkunden. Vielleicht sucht er sich Abwechslung und Beschäftigung, indem er beispielsweise Passanten anbellt oder deine Wiese in einen 100-Loch-Golfplatz umwandelt. Damit musst du dann halt leben. Vielleicht wirfst du ihm gefühlte tausend Mal einen Ball oder einen anderen Gegenstand und beruhigst damit dein Gewissen: „Siehste! Mein Hund muss nicht Gassi gehen. Der bekommt genügend Bewegung!“ Mal abgesehen davon, dass die ständigen Vollbremsungen alles andere als gesund für die Gelenke deines Hundes sind, förderst du auch noch eine Sucht. Ja, Hunde können ballsüchtig werden und das hat nichts mit gesunder Auslastung und Bewegung zu tun.
Ballsucht ist alles andere als eine gesunde Bewegung!
Gassi gehen ist Sport, ist Bewegung, ist Glücksgefühl und mehr
Damit dein Hund gesund und glücklich bleibt, benötigt er Bewegung. Gleichzeitig braucht ein Hund – wie du – Kontakt zu Artgenossen. Ich höre die Einwände: „Mein Hund braucht keine anderen Hunde!“. Ja, es ist möglich, dass dein Hund keinen Kontakt zu anderen Hunden braucht. Dennoch ist er an den News interessiert, die andere Hunde hinterlassen. Das heißt, er möchte schnüffeln und er erfährt dadurch die täglichen Nachrichten der Hundewelt.
Hunde, die gerne Kontakt mit Artgenossen haben, freuen sich wie Bolle, wenn sie unterwegs einen Spielkameraden treffen. Das ist vor allem bei jungen Hunden der Fall, die durch die Hundebegegnungen gleichzeitig ein gutes Sozialverhalten lernen. Je mehr unterschiedliche Hunde dein junger Hund kennenlernt, desto besser bildet sich sein Sozialverhalten aus. Das hängt selbstverständlich auch davon ab, auf welche Hunde du überwiegend triffst. Doch selbst wenn du ab und zu auf einen asozialen Hund triffst, ist das immer noch besser, als deinen Hund ohne Kontakte zu Artgenossen aufwachsen zu lassen.
Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Bindung zwischen dir und deinem Hund. Bei täglichen Spaziergängen meistert ihr gemeinsam verschiedene Situationen. Du trainierst mit deinem Hund, damit dein Hund den Umgang mit anderen Menschen und Hunden lernt. Ihr entdeckt zusammen die Natur inklusive Kaninchen, Reh und Co. und das erfordert deine Aufmerksamkeit. Denn wahrscheinlich möchtest du nicht, dass dein Vierbeiner den Jagdschein macht und sich zum selbstständigen Jägermeister entwickelt. All diese Situationen festigen die Bindung und das wirkt sich auf euren Alltag und auf das Zusammenleben aus.
Selbstverständlich beeinflusst Bewegung die körperliche Gesundheit. Das ist beim Hund nicht viel anders als beim Menschen. Erhält dein Hund zu wenig oder keine Bewegung, ist mit Problemen des Stoffwechsels, der Muskulatur oder des Herz-Kreislauf-Systems zu rechnen. Das Gassi gehen ist außerdem förderlich für die geistige und seelische Gesundheit. Dein Hund muss sich je nach Spazierstrecke konzentrieren, eventuell zwischendurch klettern und sich mit unterschiedlichen Situationen konfrontieren. Gehst du regelmäßig mit deinem Hund Gassi, sorgst du für Entspannung und Ausgeglichenheit deines Vierbeiners.
Mangelnde Bewegung kann sich beim Hund mit erhöhter Reizbarkeit und anderen Verhaltensproblemen zeigen.
Gassi gehen ist ein Stück Lebensfreude
Meine Hunde können es morgens kaum erwarten und möchten endlich wieder Gassi gehen. Die Spaziergänge sind für sie kleine Erlebnisse. Sie sind ein Stück Lebensfreude. Weil sich meine Hunde so freuen, stecken sich mich mit ihrer Fröhlichkeit an. Der Tag beginnt mit guter Laune – für meine Hunde und für mich. Außerdem erlebe ich durch meine Hunde die Natur nochmal anders, denn sie haben die besseren Nasen. Umgekehrt sind die Hunde an dem interessiert, was ich entdecke. Bleibe ich stehen, um mir irgendwas anzuschauen, sind sie sofort an meiner Seite und untersuchen das, was ich beobachte.
Wir gehen über Stock und Stein und Hügel rauf und runter. Ich sehe zu, dass wir nicht jeden Tag dieselbe Strecke laufen, sodass die Spaziergänge interessant bleiben. Die Hunde genießen diese Zeit mit mir in vollen Zügen und sind rundum zufrieden, wenn wir vom Spaziergang zurückkommen. Manchmal nehme ich das Frühstück mit und meine Hunde und ich picknicken unterwegs in der Natur.
Aufgrund der Spaziergänge ist das Leben meiner Hunde abwechslungsreich. Zudem trainieren sie ihre Motorik und ihre Konzentrationsfähigkeit. Sie kommen mit Artgenossen in Kontakt, lernen neue Hunde und Menschen kennen und sind geübt darin, sich neuen Situationen zu stellen.
Stelle dir vor, du hättest ein Leben lang Lockdown – das wäre das Leben deines Hundes, der keine Spaziergänge bekommt, weil er einen Garten hat.
Gerade jetzt in unserer Zeit ist es mir unbegreiflich, dass manche Hundehalter immer noch glauben, ein Garten reiche für die Bewegung und die Gesundheit des Hundes aus. Wir Menschen erleben momentan ständige und teils starke Einschränkungen aufgrund der Pandemie. Wir in Spanien hatten im Frühjahr 2020 einen sehr strengen Lockdown. Gassi gehen mit den Hunden war auf wenige 100 Meter beschränkt. Jeder merkt wie es ist, erlebnislos und mit wenigen Kontakten zu leben.
Mit eingeschränktem Horizont kann der Geist nicht wach bleiben.
Zur Hundehaltung gehören tägliche Spaziergänge dazu und damit ist nicht der kurze Rundgang um den Block gemeint. Möchtest du einen Hund halten, dann bewege dich und deinen Hund! Hast du keine Lust dazu, jeden Tag mit deinem Hund Gassi zu gehen – dann schaffe dir keinen Hund an. Und wenn du jetzt behauptest, mit kleinen Hunden bräuchte man nicht Gassi zu gehen, dann sage ich dir, dass das eine faule Ausrede ist. Egal ob klein oder groß – es ist ein Hund, der Bewegung, Auslastung und Beschäftigung benötigt. Es ist für kleine und für große Hunde nicht genug, sie lediglich in den Garten zu setzen.
Und was ist mit meinem alten Hund? Die meisten alten Hunde gehen gerne spazieren. Du musst die Spaziergänge in allen Lebensphasen des Hundes an die Bedürfnisse des Vierbeiners anpassen. Das gilt für Welpen, Junghunde, ausgewachsene Hunde und alte Hunde. Selbst Milo, unser Podenco-Senior, ist noch sehr gerne spazieren gegangen. Die Strecken fielen kürzer und das Tempo langsamer als mit jüngerem Hund aus. Milo freute sich jeden Morgen darauf, mit Emma und mir Gassi zu gehen, obwohl er fast taub und blind war und ein arges Rückenproblem hatte.
Und lass dir gesagt sein, dass sich auch dein Alltag ändert, wenn du täglich mit deinem Hund in der Natur unterwegs bist. Wir Menschen sind Teil der Natur – du holst dir somit ein Stück deiner Natürlichkeit zurück.
In diesem Sinne wünsche ich dir und vor allem deinem Hund tägliche Spaziergänge und dadurch mehr Lebensfreude.
Schöner Beitrag zum Thema. Hunde in „großen Gärten“ ohne Gassigang hängen oft am Zaun und bellen. Der Hund will Abwechslung und schnüffeln.
VlG Jens